Nach dem Dolomiti-Stoneman in Sexten und dem Miriquidi-Stoneman im Erzgebirge haben wir uns für dieses Jahr den Glaciara-Stoneman in der Schweiz als einen der Saisonhöhepunkte mit den Bikes rausgesucht. Am Start waren dieses Mal Anita, Heinz, Jochachim, Patrick und Helmut! Organisiert war der Trip sehr schnell, eine gewisse „Grundroutine“ bei solchen Unternehmungen ist ja bereits vorhanden. Joachim hat uns einen Bus organisiert, Patrick hat Unterkünfte und Zugverbindungen gecheckt. Wetterprognose war für die 3 geplanten Tage einwandfrei. Montagmorgen um 6 Uhr gings los. Bikes und Rucksäcke in den Bus, Kaffeekanne eingeladen und voll freudiger Erwartungen ab ins Schwyerzländli zum Stoneman 2019!

Tag 1 – Anreise und Einrollen (48 Km/840 Hm)

Pünktlich um 6 Uhr Start im Allgäu, Ziel war der große Parkplatz am Oberalppass zwischen Disentis und Andermatt. Oben angekommen empfangen uns frische Temperaturen aber ein wolkenloser Himmel. 3-Tages-Parkticket gezogen und rein in den Alpine Bike-Trail Nummer 1, den Patrick im Vorfeld zum Einrollen ausbaldowert hat. Ein Volltreffer! Nach einer kurzen Abfahrt auf der Passstraße gings moderat ansteigend auf ein sagenhaftes Plateau. Bis auf vereinzelte Wanderer und 2 Biker waren wir alleine auf weiter Flur. Ein sehr spaßig zu fahrender Trail zauberte uns gleich ein Lächeln aufs Gesicht. Bisschen schrofig, kurze Schneefelder, hochalpine Kulisse. Mega. Der Trail wurde im weiteren Verlauf sehr „rustikal“, was dann doch die eine oder andere Schiebepassage mit sich brachte. Ob den Trail Jemand komplett runterdonnert?? Eher unwahrscheinlich. Bocksteil gings runter auf einen breiteren Wirtschaftsweg in Richtung Andermatt. Hier schlug dann der Defektteufel zu. Anita und Patrick blieben weiter auf dem Alpine Bike Trail 1, während Heinz  und Joachim Helmut auf der Suche nach einem Velo-Shop begleiteten, was sich als nicht sehr einfach herausstellte. Von Andermatt rollten wir dann erst entlang der Hauptstraße in Richtung Hospental, wo uns dann ein netter kleiner Trail entlang eines Baches nach Realp führte. In Realp gings in den Autoverladezug (wesentlich günstiger als der übliche Bahntarif mit Velo) und durch den Furkatunnel nach Oberwald. Von da auf sehr fetzigem Radweg nach Reckingen in unser 1. Quartier, dem Hotel „Joopi“. Sehr netter Empfang, sehr freundliche Leute und hochwertiger Tipp zu einem Velomechaniker, der das Bremsanlagen-Problem gottseidank kurz vor Feierabend und trotzdem mit viel Leidenschaft lösen konnte. Super Zimmer, auf Anfrage bekamen wir sogar ein bikerfreundliches und günstigeres Essen als Grundlage für die anstehenden Herausforderungen. Starterpaket abgeholt und ab in die Heia.

Tag 2 – Stoneman Etappe 1 (74 Km/2600 HM)

Nach einem sagenhaften Frühstücksbuffet und dem Auffüllen des Proviants im hiesigen Einzelhandel gings endlich los. Stoneman – wir kommen. Zuerst kamen wir gar nicht oder nur schleppend! Der GPS-Track, den wir nach der Registrierung online erhalten hatten, hatte mit der ausgeschilderten Strecke nicht viel  zu tun. Nach einigem Hin und Her entschieden wir uns, der sehr gut ausgeschilderten Strecke zu folgen. Der Link war diffus und wollte uns zum Teil auf der Hauptstraße oder auf Abschnitte führen, die mit dem Stoneman nichts zu tun hatten. Entschädigt wurden wir sofort mit einer tollen Strecke oberhalb der Hauptstraße, die uns mit saftigen Anstiegen nach Bellwald führte. Große Überraschung in Bellwald war eine „Stoneman-Überlebens-Kiste“ direkt an der Strecke in einem Vorgarten, gefüllt mit Traubenzucker, Kaugummi, Tempos. Klasse!! 1. Stempelstelle und weiter auf einem ersten, knackigen aber super tollen Trail runter ins Tal. Mit dem Anstieg zur Fiescher-Alpe kamen eine echte Herausforderung. Heiß, lang, permanent steigend. 1200 Höhenmeter am Stück. Oben angelangt, sagenhafter Blick ins Umfeld (sogar das Matterhorn war zu sehen) und auf das Breithorn, das uns an Tag 2 den Zahn ziehen sollte. Nach der Mittelstation der Bahn und einem kurzen Einkehrschwung gings es weiter in Begleitung von einigen Wandersleuten (aber so gut wie keinen Bikern) zur 2. Stempelstelle Märjela auf über 2300 Metern. Durch einen Tunnel mit gut 900 Metern führte die Route zur Märjela. Wahnsinns-Panorama! Ein gut halbstündiger Fußweg (unbedingt machen!) führte uns dann zu einer Plattform, wo sich der Aletsch-Gletscher in seiner noch verbliebenen Pracht ausbreitete. Unfassbares Bild. Hochalpines Gelände, Schneefelder, strahlender Sonnenschein. Alleine diese Eindrücke bleiben unvergesslich. Nach langem Verweilen führte uns ein sehr rustikaler, aber doch weitgehend sehr tricky fahrbarer alpiner Steig zurück zur Bahn, wo wir unsere Rucksäcke deponiert hatten. Dem sehr freundlichen Hotelier besten Dank dafür. Weiter kurbelten wir schweißtreibend in Richtung Moosfluh, Stempelstelle Nummer 4. Knallharter Anstieg zur Moosfluh, aber unterhalb ein Flowtrail zum Genießen. Klasse. Nach hartem Kampf oben angelangt, wieder ein optischer Wahnsinn. Gut, dass die Bahn zu dem Zeitpunkt schon geschlossen hatte, auf viele Wanderer auf diesen engen und verblockten Trails hatten wir keine Lust. Trotz der megatollen Ausblicke und einem schönen Flowtrail runter in Richtung Riederalp waren wir einheitlich der Meinung, dass diese Passage eigentlich der Stoneman-Philosophie entgegensteht. Wir hatten schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen, dieses wunderschöne Fleckchen Erde mit dem Bike zu erobern – in dem Wissen, dass es sicher auch Zeitgenossen gibt, die keine Rücksicht auf die Natur oder die anderen Bergnutzer nehmen werden. Mit zunehmender Frequenz des Glaciara dürfte hier großes Konfliktpotential lauern. Eine lange und absolut ruppige Abfahrt führte uns dann zu späterer Stunde hinab nach Breiten zu unserem 2. Quartier. Aufgrund der späten Stunde und der Vielzahl der schon gefahrenen Trails wählten wir eine Variante, die uns oberhalb von Breiten wieder auf den Stoneman führte. Die Bremsscheiben glühten, so steil war der Downhill, der jede Minute volle Konzentration forderte. Top Ferienwohnung in einem Hotel, ideal für uns 5. Ein für Schweizer Verhältnisse erschwingliches und sehr feines Menü in der Talstation der Bergstation rundete einen anstrengenden, aber jede Minute tollen Tag ab.

Tag 3 – Stoneman Etappe 2 (58 KM/2200 HM)

Nach einem wiederum üppigen und fein bestückten Frühstücksbuffet und dem Besuch einer lokalen Bäckerei wagten wir uns an die fast 1700 Höhenmeter-Auffahrt zum Breithorn. Endlos!! Bei bedecktem Himmel und sehr angenehmen Temperaturen beschäftigte uns dieser Anstieg für eine lange Zeit. Permanent im zweistelligen Prozentbereich kurbelten wir Serpentine um Serpentine hoch zur Stempelstelle am Breithorn. Bis dorthin Nebel, pünktlich zum Gruppenfoto riss die Wolkendecke auf. Eine lange und stellenweise flowige Abfahrt führte uns weiter nach Binn auf gut 1400 Meter, also 1000 Höhenmeter und 16 Kilometer runter. Nicht trailig, aber doch fetzig zu fahren. In Binn wohlverdiente Kaffeepause und auf der alten Fahrstrecke parallel mit grandiosen Tief- und Weitblicken in eine fulminante Klamm weiter in Richtung Reckingen. Nach dem versprochenen Besuch und einem eiskalten alkoholfreien Weizenbier bei dem grandiosen Bike-Mechaniker, der am 1. Tag den Stoneman „rettete“, zurück ins Hotel Joopi, Abholung der Finisher-Trophäen und mit Zug zurück nach Andermatt und hoch zum Parkplatz am Oberalppass.

 

Laut Garmin inklusive Einrolletappe 1073 Minuten im Sattel, 178,76 Kilometer, 5625 Höhenmeter. Jeder Meter davon absolut geil, aber auch durchaus fordernd und zäh. Ausreichend Wasserstellen entlang der ganzen Strecke. Bis auf den ersten keinen einzigen weiteren Defekt, keinen Platten und Gottseidank bis auf einen dummen Abroller (wegen Verschalten) keinen Sturz, was aufgrund der krachenden Trails so selbstverständlich nicht war. Den Glaciara auf 1x fahren undenkbar (uns ist ein Rätsel, wie das Jemand schaffen kann, der die Originalstrecke fährt, also ohne Abkürzer oder Versorgungsfahrzeug etc.), auf 2 Etappen ein echtes Paket. Wer richtig genießen will, sollte 3 Tagesetappen planen – dies aber eine subjektive Einschätzung von uns.

 

Video Director’s Cut by Patrick Hilbrand